Ein HOCH auf den dezenten Oberlippenbart!
Wir sind schlussendlich im Land der Uiguren angekommen, Chinas wilder Westen. Die muslimisch gepraegten Uiguren machen dank aktiver Siedlungspoltik aus Beijing nur mehr weniger als 50% der Bevoelkerung Xianjian's aus, ihr Einfluss auf die regionale Kultur ist jedoch weiterhin stark. Ein Abend im Gauchang-Park von Turpan laesst einen Hauch persischer Mentalitaet verspueren:
Wir durchstreifen zum Sonnenuntergang das ueppige Gruen als allmaehlich Musik lauter wird und wir unverhofft am Rande einer Tanzflaeche stranden. Orientalische Klaenge versetzen gut zwei Dutzend Uiguren in rhytmische Bewegung, jung und alt, hauptsaechlich Maenner. Die Lautsprecher sind wie gewohnt hoffnungslos uebersteuert, aber das scheint nicht die geringste Rolle zu spielen. Auch der fremde Bass aus unmittelbarer chinesischer Nachbarschaft, dem gegenueberliegenden Platz keine 100 Meter entfernt, dringt offenbar nicht bis an die uigurischen Ohren.
Die Chinesen tanzen gerne oeffentlich, die Lautsprecher selbstverstaendlich ebenfalls uebersteuert (big is beautiful), doch wirken die Bewegungen wie die Generalprobe eines Volksaufmarsches: bemueht synchron, alles im Kollektiv, niemand tanzt aus der Reihe - die einstudierten Ablaufe werden sachlich und hoechst konzentriert "abgearbeitet". Es fehlt nur mehr das kleine rote Buch in der rechten Hand und Mao waere bestimmt stolz.
Wir wenden wieder unsere Koepfe und beginnen im uigurischen Takt mitzunicken, der uns viel vertrauter erscheint. So verhaelt es sich auch mit dem Tanz an sich: rhytmisch, individuell und ausgesprochen froehlich. Hier hat man Freude und bringt diese mit ganzem Koerpereinsatz zum Ausdruck, waehrend die Chinesen hinter unserem Ruecken stetig von ein bis viel zaehlen. Wir sehen binnen weniger Minuten mehr lachenden Gesichter als auf der gesamten Reise von Beijing hierher und fuehlen den berauschenden Geist der Freiheit (*s.u.), der die Menschen hier sichtlich belebt.
Es dauert keine fuenf Minuten, da werden wir von den uigurischen Maennern unmissverstaendlich aufgefordert unsere Gliedmassen in Bewegung zu versetzen. Wir finden uns schon bald in ihrer Mitte wieder, klatschen und freuen uns mit ihnen! Zunehmend werden wir vom Rhytmus der orientalischen Klaenge erfasst und tanzen berauscht unter den gelb-orangen Lichtern der turpaner Strassenlaternen. Mit jedem Takt lassen wir China zunehmend hinter uns: Ein Hoch auf den dezenten Oberlippenbart!
Visuelle Eindruecke aus der autonomen Provinz (*s.u) der Uiguren:
Sandsturm
Ein Leben als Haendler wie damals...
... und heute.
Er gibt heute noch den ideologischen Weg vor...
Ringelspiel nach chinesischer Interpretation
Kebap, Shaslik und Co: WE LOVE IT
Die kostbarsten Teile liegen am Boden: Schafskopf gilt als Delikatesse. Uns wurde die zweifelhafte Ehre zu kosten leider nicht zuteil.
Ein Schaf haetten wir um rund EUR 150, einen ausgewachsenen Stier um EUR 1000 bekommen. Okkasion?!
* Nachtrag:
Wenn man den Minderheiten der Provinz keine Paesse ausstellt, sind sie nicht nur autonom sondern tragischerweise auch im eigenen Land gefangen. Ein Detail, das wie so oft den Weg ueber die staatliche Nachrichtenagentur nicht ins Ausland schafft. Wir wurden dessen knapp vor dem Abreisetag gewahr, als wir unsere weiteren Reiseverlauf schilderten...
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